Die versteckte Armut

Alle paar Jahre stelle ich an die Kreisverwaltung (KV) die gleiche Anfrage, um Einblick zu kriegen, wie hoch Armut unter Kindern und Jugendlichen verbreitet ist und wie sich entwickelt. Auf Bundesebene liegt die Armutsbetroffenheit laut offiziellen Angaben bei ca. 22%. Nun gibt es das sogenannte Teilhabepaket. Anspruchsberechtigt sind junge Menschen, wenn sie, beziehungsweise ihre Familien, eine der folgenden Leistungen beziehen: Bürgergeld (SGB II) Wohngeld und Kinderzuschlag (§ 6b BKGG) Sozialhilfe (SGB XII – Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung). Als armutsgefährdet gilt nach gängiger wissenschaftlicher Definition, wer über weniger als 60% des bedarfsgewichteten mittleren Nettoeinkommens verfügt.

Die KV antwortete mir, auf Kreisebene lägen keine Zahlen vor. Nun, wer will, findet sie. So wird z.B. für diese Betroffenen nach dem Teilhabepaket der Schulbedarf vom Jobcenter direkt ausgezahlt, Wohngeld beziehende Personen werden von der KV angeschrieben. Zuschuss zum Schulbedarf nach Teilhabepaket bekamen in 2023 laut KV 2765 SchülerInnen. Die Gesamtschülerzahl beträgt für alle Schulen summiert 6131. Das ist ein Anteil von unglaublichen 45%! Also mehr als das Doppelte der Bundeszahlen.
Aus dem gleichen Paket werden aber lediglich von 117 (1,9%) Berechtigten Zuschüsse für Lernförderung in Anspruch genommen, für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben von 433 (7%). Allerdings sind hier die Zuschüsse mit 15 € im Monat viel zu niedrig für z.B. Kurse an der Musikschule .

Was tut sie dafür, diese schwach nachgefragten Leistungen bekannter zu machen fragte ich weiter die KV. Antwort: Flyer drucken. Und das, obwohl der Kreistag auf meinen Antrag hin schon vor 2 Jahren beschloss, dass die KV eine breit angelegte aufsuchende Kampagne starten solle.

Die Abstempelung der Betroffenen durch das Teilhabepaket ist schlimm genug. Dass es aber nicht gelingt, und zwar weder der KV noch den Schulen, Lernförderung etc. viel massiver in Anspruch nehmen zu lassen, ist ein Skandal. Man kann über Pisa-Ergebnisse jammern, aber wenn aktiv nichts unternommen wird, ändert sich nichts, wenn man die realen Zahlen nicht ermitteln will erst recht nicht. O-Ton KV: „Es darf keine Scham bestehen, diese Hilfen in Anspruch zu nehmen.“ Ein Textbaustein „höchster“ Qualität.

Übrigens: 2013 betrug diese Armutsquote nach Anspruchsberechtigung für das Teilhabepaket erst 30%, das war schon horrend hoch.

Ich appelliere eindringlichst an die Schulen, etwas zu unternehmen! Sie müssen den Betroffenen in aller gebotenen Diskretion helfen, damit sie Hilfen und Zuschüsse in Anspruch nehmen. Und warum finanzieren Lions und Rotarier nicht mal Musikschulkurse für diese benachteiligten jungen Menschen?

Kurt Herzog, Dannenberg
SOLI-Kreistagsfraktionsvorsitzender